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Focus- Online - „Halbmondwahrheiten“ „Patriarchen, Paschas, Machos“ - Seite 2 PDF Drucken
Samstag, den 21. August 2010 um 16:22 Uhr
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Focus- Online - „Halbmondwahrheiten“ „Patriarchen, Paschas, Machos“
Seite 2
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„Halbmondwahrheiten“
„Meine Protagonisten sind Multiplikatoren“
Diederichs "Halbmondwahrheiten“ von Isabella Kroth
FOCUS Online: Hat vielleicht gerade Ihr Fremdsein geholfen?
Kroth: Ich denke schon. Sie konnten mir erklären, was es bedeutet, ein Mann in ihrer Kultur zu sein. Und ich habe nicht gefragt, wer ist Täter, wer Opfer, sondern einfach zugehört. Es brauchte seine Zeit, bis sie sich öffneten, aber die Männer hatten alle ein richtiges Bedürfnis danach, zu erzählen. Sie stellten mir sogar Freunde und Bekannte vor, die nicht Teil der Selbsthilfegruppe sind. Auch diese habe ich in meinem Buch porträtiert.
FOCUS Online: Was hielten Ihre Gesprächspartner von Ihrem Anliegen, sie als Protagonisten für ein Buch zu verwenden?
Kroth: Sie sind alle sehr stolz. Ich denke, man merkt auch beim Lesen: Hier herrscht Aufbruchstimmung. Die Protagonisten bekennen sich zu ihren Problemen und zu ihren Rollen, als Opfer wie auch als Täter. Das Entscheidende ist, dass sie nicht lamentieren, sondern etwas ändern wollen.
FOCUS Online:
Welche Rolle spielt der Glaube beim Gelingen oder Scheitern der Integration?
Kroth:
Bei drei meiner Figuren spielt er eine sehr große Rolle. Er ist ein Rückzugsort für jene, die sich nicht aufgehoben fühlen, denn er bietet sehr viele Verhaltensregeln für den Alltag an. Tarik zum Beispiel hatte extreme Drogenprobleme. Er kam darüber hinweg, weil er im Islam eine Ersatzdroge fand, der er so viel Zeit opferte, dass sie zur Bedrohung für seine Berufsausbildung wurde. Menschen wie er brauchen jemanden, der ihnen dabei hilft, eine Brücke zu bauen zwischen ihrer Kultur und der, in der sie leben. FOCUS Online: Könnten Imame diese Rolle einnehmen?
Kroth: Idealerweise wäre das wohl so. Der Psychologe Kazim Erdogan nimmt die Rolle des Vermittlers ein. In Deutschland wird immer versucht, Integration von oben durchzusetzen. Integrationsgipfel und Islamkonferenzen bringen diesen Leuten jedoch nichts. Sie brauchen jemanden wie Erdogan, der ihnen zum Beispiel erklärt, dass sie ihre Ehre auch anders wiederherstellen können als über Gewalt. Durch Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat. Oder dass Ehre nichts mit einem vollen Geldbeutel zu tun hat.
FOCUS Online:
Was wollen Sie mit dem Buch erreichen?
Kroth:
Dass sich die mediale Diskussion ändert und nicht nur einseitig auf türkische Migranten blickt. Und dass Menschen, die diese Geschichten gelesen haben, ihren türkischen Mitbürgern anders begegnen, mehr Verständnis zeigen. Es geht ja nicht darum, dass das Leid der Frauen ausgeblendet werden soll, sondern dass der Zusammenhang mit dem Leid der Männer transparenter wird. Hinter vielem, was wir verurteilen, steht Unsicherheit und vor allem Scham. Meine Protagonisten sind Multiplikatoren. Ich bin mir sicher: Wenn sich die Männer ändern, hilft das auch den Frauen.

Isabella Kroth, 30, ist Absolventin der Deutschen Journalistenschule und arbeitet als Journalistin (FOCUS Online) und Autorin. „Halbmondwahrheiten“ (Diederichs) ist ihr zweites Buch. Es ist seit Anfang August im Handel. 2004 erschien ihr erstes Buch, „Scheherazades Tochter“ (Ullstein), über die Zwangsehe einer jungen Jesidin.

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