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Jugendliche Gewalttäter - Berliner Zeitung 29.06.2013 PDF Drucken
Sonntag, den 30. Juni 2013 um 13:00 Uhr
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Jugendliche Gewalttäter - Berliner Zeitung 29.06.2013
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 „Du Eselssohn, sei brav!“

Von Annett Heide und Andreas Kopietz
Kazim Erdogan ist studierter Psychologe und Soziologe.

Kazim Erdogan ist studierter Psychologe und Soziologe.

Foto: Paulus Ponizak

Berlin – Sechs türkischstämmige Jugendliche sind angeklagt, schuld am Tod von Jonny K. zu sein. Im Prozess stehen die Väter an ihrer Seite. Ein Gespräch mit dem Psychologen Kazim Erdogan über die Rolle türkischer Väter. Und jugendliche Gewalttäter.

Nach dem Tod von Jonny K., der am 14. Oktober 2012 auf dem Alexanderplatz erschlagen wurde, hatte sich der Hauptangeklagte Onur U. in Begleitung seines Vaters in die Türkei abgesetzt. Zwei weitere der sechs türkischstämmigen Angeklagten flohen ebenfalls in die Türkei. Melih Y. kehrte nach drei Tagen zurück.

Dass er, Osman A. und Hüseyin I. sich kurze Zeit später stellten, war das Ergebnis der Gespräche ihrer Väter, die Melih Y.s Vater zustande gebracht hatte. Kazim Erdogan beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit türkischen Vätern in Berlin. Wir führten mit ihm ein Gespräch über die Rolle türkischer Väter von jugendlichen Gewalttätern, alleinerziehende türkische Väter und Sprachlosigkeit in der Erziehung.

Herr Erdogan, in Berlin leben 170.000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund. Wissen Sie, wie viele davon alleinerziehende Väter sind?

Darüber gibt es keine Statistik. Aber ich schätze mal, von den Vätern ausgehend, die meine Gruppe besuchen, dass es so 1500 sind. Tendenz von Monat zu Monat steigend.

Warum ist die Tendenz steigend?

Weil sich die Scheidungsraten bei uns schätzungsweise verdreifacht haben. Das hat mit den Eheschließungen zu tun, die man als Import- oder Heiratsehen bezeichnet. Man ist fälschlicherweise in Deutschland immer davon ausgegangen, dass das zu neunzig Prozent Frauen sind und hat fünfzig Jahre lang nur von Importbräuten geredet. Und die Importbräutigame haben keine Rolle gespielt.

Sind das denn so viele?

Natürlich. Bis vor fünf Jahren haben bundesweit jährlich zwischen dreißig- und fünfunddreißigtausend Eheschließungen zwischen Menschen stattgefunden, von denen ein Teil in Deutschland lebte und einer eingereist ist. Der Frauenanteil ist bei 70 Prozent, also bleiben 30 Prozent Männer. Und nur, weil man die gleiche Sprache spricht und die gleiche Religion hat, ist das kein Garantieschein für eine Ehe. Der Mann kündigt zum Beispiel in der Türkei seine Arbeit und träumt vom Paradies in Deutschland. Und dann bekommt er erstmal Taschengeld. Von der Frau.

Wieso bekommt er von der Frau Taschengeld?

Weil er herkommt und die ersten Jahre nicht arbeitet. Er ist der deutschen Sprache nicht mächtig, und die Frau arbeitet, weshalb er überhaupt erst ein Visum bekommt.