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philip morris2

Die Spielsucht endete in der Insolvenz PDF Drucken
Montag, den 13. Januar 2014 um 13:39 Uhr
Türkische Selbsthilfegruppe hilft Männern bei Problemen

Berlin (epd).

Das Geld des kurdischen Unternehmers floss in Spielautomaten, bis am Ende nichts mehr übrig geblieben war: Sämtliche Tageseinnahmen seiner drei Imbissbuden investierte der heute 36-Jährige in sein vermeintliches Glück. Statt des erhofften Geldsegens kam die Insolvenz. Jetzt verkauft der Kurde selbst Döner und verdient fünf Euro pro Stunde. "Seit zwei Jahren spielt er nicht mehr", sagt der Psychologe Kazim Erdogan.

Der 60-Jährige ist Gründer und Vorsitzender von Deutschlands erster Selbsthilfegruppe türkischstämmiger Männer, die in Berlin beheimatet ist. An Kazim Erdogan wenden sich immer mehr Spielsüchtige und Menschen mit anderen Problemen. Die Gruppe ist längst offen für alle, unabhängig von ihrer Herkunft. Mehr als 90 türkische Männer kommen mittlerweile zu den Treffen. In den gemischten Gruppen sind es Erdogan zufolge jeweils rund 20 Teilnehmer. Gesprochen wird über alles, was die Teilnehmer bewegt: Trennung, Arbeitslosigkeit, Gewalt oder eben auch über Spielsucht.

Nach Schätzungen von Experten leben in Berlin etwa 37.000 Menschen mit problematischem oder krankhaftem Suchtverhalten beim Glücksspiel. Erdogan glaubt, dass die Dunkelziffer dreimal so hoch liegt. Um die Suchtgefahr einzudämmen, hat das Berliner Abgeordnetenhaus vor zwei Jahren das Spielhallengesetz verschärft. Es regelt unter anderem den Abstand zwischen Spielhallen und die Zahl der Spielautomaten. Nach Ansicht des Psychologen und Sozialarbeiters greift die Gesetzesnovelle aber zu kurz. "Allein die Zahl der Hallen zu reduzieren, reicht nicht", meint er.

Von dem Gesetz unberührt sind etwa Betreiber von Restaurants oder Cafés, die in ihren Räumen bis zu drei Spielautomaten aufstellen dürfen und dafür keine Genehmigung benötigen. Hier sieht Erdogan die Gefahr, dass Spielsüchtige dorthin ausweichen oder ihre Sucht bei Glücksspielen im Internet stillen. Wer arbeitslos, perspektivlos und arm ist, sei anfällig, erklärt der Psychologe. Spielsucht zerstöre in vielen Fällen ganze Familien. "Mit der Arbeit der Selbsthilfegruppe haben wir aber sehr viele Ehen retten können, weil die Männer eine Chance bekamen, sich zu ändern", bilanziert der Sozialarbeiter. Hauptgründe für Scheidungen seien in 99 Prozent der Fälle Spielsucht, Gewalt, Drogen- und Alkoholkonsum. Erdogan stützt sich dabei nach eigenen Angaben auf seine Erfahrungen als Sozialarbeiter in den vergangenen zehn Jahren.

Wer süchtig sei, bewege sich in einem Teufelskreislauf. Auch der türkische Taxi-Fahrer aus der Selbsthilfegruppe kennt die Gefahren. Er habe seine Einnahme aus Fahrten sofort in Spielhallen verpulvert - bis das Geld nicht mehr reichte und er sich 10.000 Euro bei der Mafia lieh, erinnert sich Erdogan an das Gespräch mit ihm. Das Geld habe er nicht zurückzahlen können. Er wurde bedroht. Aus Angst habe er seine Wohnung nicht mehr verlassen. Mittlerweile bekam der 28-Jährige nach Erdogans Schilderung einen Bankkredit bewilligt und konnte zumindest seine Schuld bei den dubiosen Geldgebern begleichen.

Für Fälle wie diesen hat die Selbsthilfegruppe seit vergangenem Jahr auch eine anonyme Telefonberatung eingerichtet. "Die Anrufer kommen aus allen Bundesländern", berichtet Kazim Erdogan. Sechs in Schichten eingeteilte Freiwillige aus der Selbsthilfegruppe sind rund um die Uhr erreichbar. Zudem gibt es in vielen größeren Städten Deutschlands bereits Selbsthilfegruppen nach dem Berliner Vorbild.

"Dass die Hilfesuchenden über ihre Probleme sprechen, ist schon mal ein großer Schritt", sagt der Psychologe. Die Verzweiflung über fehlende Jobaussichten oder Sucht entlade sich nicht selten in Gewalt in der Familie. Erdogan stimmt aber hoffnungsfroh, dass sich in seiner Selbsthilfegruppe die Täter zu ihren Taten bekannt und sich selbst sogar dafür verurteilt hätten. Er wünscht sich deshalb mehr Teilnehmer in seinen Gruppen. Denn aus der Erfahrung weiß er, dass "gerade in den Wintermonaten, wenn es draußen kalt und dunkel ist, Gewalt leider drastisch zunimmt".

epd ost cht bue

Originalbeitrag